75. Tarmstedter Ausstellung: Jubiläums-Ausstellung bringt Besucherrekord
Mit einem neuen Besucherrekord von 118.800 Gästen an vier Tagen hat die 75. Tarmstedter Ausstellung …
Im Landkreis Rotenburg-Wümme gibt es bereits sehr viel Windparks. Nach dem regionalen Raumordnungsprogramm soll der Landkreis 4 % der Flächen für die Windenergie vorhalten. Heute sind erst 1 % belegt. „Das sind noch über 8000 ha. Wir haben zu den ersten Plänen 250 Stellungnahmen erhalten von Bürgerinitiativen, Gemeinden, Investoren und Flächeneigentümern“, erklärte Landrat Marco Prietz beim Podiumsgespräch im Rahmen von TarmsTalk am Freitagnachmittag in Zelthalle 7. Doch, obwohl rund 70 Vorranggebiete mit im Schnitt 7 Windrädern, also rund 500 Windräder geplant sind, gibt es aktuell nur wenig Widerstand in der Bevölkerung. „Der Ausbau der Solarfreiflächenanlagen wird dagegen viel kritischer betrachtet“, sagt er.
Ein Viertel des Windenergieausbaus soll in der Samtgemeinde Tarmstedt erfolgen. „Das heißt, es werden bei uns noch ca. 110 Windräder aufgestellt“, sagt Samtgemeindebürgermeister Oliver Moje. Aber wie Landrat Prietz bereits festgestellt hat, ist das Thema Solarparks präsenter bei der Bevölkerung.
Um die große Anfrage von Projektierern zu steuern, hat die Samtgemeinde einen Kriterienkatalog erarbeitet, den Freiflächenanlagen erfüllen müssen. Danach sollen rund 1 % der Gemeindefläche für Solarparks zur Verfügung stehen. Das Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen mit den meisten Bodenpunkten ist vom Bau ausgeschlossen. „Ein zunehmendes Problem bei uns ist der Netzanschluss“, sagt Moje. Darum lohnen sich mittlerweile fast nur noch kleinere Projekte, die ans Mittelspannungsnetz angeschlossen werden können oder sehr große.
Was den Bau von Solarparks auch hemmt, ist die Vorgabe, dass die Betreiber von neuen Anlagen in Zeiten mit negativen Strompreisen keine Vergütung erhalten. „Das sind rund 10 bis 15 % des Stroms. Steuert man nicht mit Speichern oder besonderen Stromabnahmeverträgen dagegen, muss man das als Verlust einplanen“, erklärt Markus Buortesch vom Solarparkprojektierer Greenovativ.
Dazu kommt, dass der Marktwert Solar aufgrund der starken Solarstromeinspeisung im Sommer massiv gesunken ist. Der Marktwert Solar ist ein Begriff aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und beschreibt den durchschnittlichen Preis, der für Solarstrom an der Strombörse erzielt wird. Dieser Wert ist – einfach gesagt – bestimmend für die Höhe der Einspeisevergütung, die der Betreiber für seinen Strom erhält. „Die Folge ist, dass wir künftig alle unsere Projekte nur noch mit Batteriespeicher bauen werden“, erklärt Buortesch. Er geht auch davon aus, dass einige Solarprojekte, die noch vor zwei bis drei Jahren geplant waren, mittlerweile wieder gestoppt werden. Das betrifft vor allem Gebiete, in denen der Betreiber keine Einspeisevergütung nach EEG erhalten hätte, sondern den Strom hätte direkt vermarkten müssen über sogenannte Power-Purchase-Agreements, kurz: PPA. „Die PPA-Strompreise liegen aktuell bei unter 4 ct/kWh, was für neue Solarparks unwirtschaftlich ist“, erklärt er.
Ein Unternehmen, das für solche Stromabnahmeverträge infrage kommen könnte, wäre das Deutsche Milchkontor (DMK), das u.a. den früheren Nordmilch-Standort in Zeven betreibt. Das DMK will laut Nachhaltigkeitsbericht seine Treibhausgasemissionen massiv senken.
„Wir können die Klimabilanz im Unternehmen vor allem mit Energieeinsparmaßnahmen verbessern, aber rund 70 % der CO₂-Emissionen entstehen bei der Milchproduktion auf den Höfen“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Heinz Korte, selbst Milcherzeuger aus Bremervörde. Ein mit anderen norddeutschen Molkereien und der Landwirtschaftskammer entwickeltes Werkzeug ermöglicht den Landwirten, einen Klimacheck zu machen. „Wir haben festgestellt, dass Milcherzeuger mit hoher Milchleistung, langlebigen, gesunden Kühen und dem Verzicht auf Sojaschrot den niedrigsten CO₂-Fußabdruck haben“, sagt Korte.
Auf der Landwirtschaftsseite würde es helfen, Gülle und Mist zu Biogas zu verarbeiten, um die CO₂-Emissionen weiter zu senken. Theoretisch könnte das Biogas dann dazu dienen, den immensen Erdgasverbrauch im Unternehmen von 900 Mio. kWh pro Jahr zu senken. So wurde untersucht, ob 20 Biogasanlagen aus der Umgebung ihr Gas bündeln und als Biomethan an die Molkerei liefern könnten. „Aber die Kosten vor allem für die Leitung waren zu hoch, darum ist das Projekt nicht zustande gekommen“, sagt Korte. Stattdessen gibt es die Überlegung, Windstrom aus der Umgebung über Direktabnahmeverträge zu beziehen.
Das Thema Biomethan bleibt für DMK trotzdem noch interessant: Die Milchsammelflotte soll nach und nach von Diesel auf Bio-LNG als Kraftstoff umgestellt werden.
„Biomethan in der Region als Kraftstoff zu verkaufen, ist momentan der einfachste Einstieg“, sagt Silke Weyberg, Geschäftsführerin des Landesverbandes Erneuerbare Energien. Ein gutes Vorbild sei die Biomethantankstelle in Westertimke bei Tarmstedt, wo LKW und Traktoren betankt werden. Mit Blick auf die Biomethanbelieferung der DMK sagt sie: „Wir haben in Deutschland leider sehr hohe Standards, die den Bau einer solchen Leitung teuer machen. Andere Länder wie Dänemark machen es uns vor, dass es auch anders geht.“ Genau wie die Molkerei hätten auch andere Mittelständler in einer Region einen hohen Energieverbrauch und müssten sich mit Blick auf die steigenden Kosten Alternativen überlegen. Hier könnten Betreiber von Biogasanlagen, Wind- und Solarparks Strom, Wärme und Kraftstoff regional vermarkten, was für beide Seiten ein Gewinn wäre.
Bürgermeister Moje wünscht sich in dem Zusammenhang, dass sich Kommunen per Kredit an Wind- und Solarparks beteiligen dürfen müssen. „Wir haben eine Unmenge an freiwilligen Aufgaben, die wir stemmen und finanzieren müssen. Über erneuerbare Energien könnten wir zu zusätzlichen Einnahmen kommen“, sagt er. Das würde auch zur Akzeptanz beitragen, weil die Bürger direkt davon profitieren.