75. Tarmstedter Ausstellung: Jubiläums-Ausstellung bringt Besucherrekord
Mit einem neuen Besucherrekord von 118.800 Gästen an vier Tagen hat die 75. Tarmstedter Ausstellung …

Größte Freilandausstellung Norddeutschlands erwartet an vier Tagen bis Montag mehr als 100.000 Besucher
Mit einer eindrucksvollen Eröffnungsfeier ist heute Vormittag die 75. Tarmstedter Ausstellung gestartet. Unter dem Jubiläumsmotto „75 Jahre Zukunft“ versammelten sich rund 800 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Verbänden und Gesellschaft im großen Festzelt – und feierten ein Stück norddeutsche Erfolgsgeschichte.
Moderiert von Chrissie Loock boten zum Einstieg Gespräche über das Messe-Jubiläum mit den Geschäftsführern der Tarmstedter Ausstellungs-GmbH, Hermann Cordes und Oliver Moje, und schön zusammengestellte Filme Einblicke in 75 Jahre Entwicklung der beliebten Veranstaltung – von der kleinen Landmaschinenschau bis zur größten Freilandausstellung Norddeutschlands.



„Wer hätte 1949 gedacht, dass aus einer kleinen regionalen Landwirtschaftsschau einmal die größte und erfolgreichste Freilandausstellung Norddeutschlands werden würde?“, stellte Tarmstedts Bürgermeisterin Hella Rosenbrock in ihrer Begrüßungsrede fest. „Die Tarmstedter Ausstellung ist und bleibt ein Gemeinschaftswerk“, so Rosenbrock weiter.



Statt einer klassischen politischen Festrede stand in diesem Jahr erstmals ein Jubiläumstalk im Mittelpunkt. Moderator Guido Höner, Chefredakteur der landwirtschaftlichen Fachzeitschriften top agrar und profi, sprach mit dem Unternehmer Bernard Krone, Aufsichtsratsvorsitzender der Krone Group. Bernard Krone war vor ca. 35 Jahren erstmalig mit seinem Vater bei der Tarmstedter Ausstellung dabei – und kam heute gemeinsam mit seiner Tochter zur Ausstellungseröffnung: „Das ist eine generationsübergreifende Begeisterung“, sagte er.
In dem Gespräch mit Guido Höner zeichnete sich eine klare Haltung ab: Die Landwirtschaft werde in weiten Teilen der Berliner Politik noch immer als Problem betrachtet – besonders in Debatten rund um Nachhaltigkeit und Umweltschutz: „Wir sind nicht Teil des Problems. Wir sind Teil der Lösung“, sagte Bernard Krone mit Nachdruck.
Zur aktuellen Politik äußerte sich Krone prägnant: „Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben auch kein Geldproblem.“ Immer wieder verlaufe sich die Politik in endlosen Diskussionen, statt endlich ins Handeln zu kommen. Ein erster Schritt würde oft schon reichen.


Unterschiedliche Wahrnehmung von Landwirtschaft und Industrie
Während Unternehmer für Investitionen gefeiert werden, würde Wachstum in der Landwirtschaft häufig skeptisch gesehen – Stichwort: Industrialisierung. „Wenn ein Landwirt wachsen will, wird das als negativ wahrgenommen. Bei einem Industriebetrieb gilt das als Fortschritt.“
Was fehlt, seien ehrliche Gespräche auf Augenhöhe – nicht auf symbolischen Gipfeln, sondern im echten Austausch zwischen Praxis und Politik. Nur so ließe sich auch das Image der Landwirtschaft in politischen Kreisen wieder verbessern – das in der Bevölkerung längst positiv sei.
Bernard Krone: „Die Landwirtschaft steht derzeit unter großem Druck: Energiepreise, Inflation, technologische Umbrüche, Kriege und weltpolitische Unsicherheiten erschweren Investitionen. Viele Betriebe reagieren mit Zurückhaltung. Trotzdem bleibt die Branche wandelbar: Die, die Chancen sehen und nicht nur die Risiken, die werden hoffentlich auch in Zukunft erfolgreich sein. Nur wenn wir Versorgungssicherheit haben, kann sich unsere Wirtschaft entfalten.“
Zum Abschluss richtete sich Bernard Krones Blick auf die Tarmstedter Ausstellung – nicht nur als Fachmesse, sondern auch als große Bühne für die Branche. Die Messe biete eine Chance, Akzeptanz und Begeisterung für die Landwirtschaft in der breiten Gesellschaft zu stärken. Es gehe nicht nur darum, Maschinen zu verkaufen – sondern darum, junge Menschen zu begeistern, Nachwuchs zu gewinnen und die Verbindung von Stadt und Land wiederherzustellen, so der Appell des Familienunternehmers.
Drei Talkrunden: Politik, Verbände, Wirtschaft
In anschließenden Talkrunden diskutierten namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verbänden und Wirtschaft die drängenden Zukunftsfragen des ländlichen Raums:
Agrarpolitik-Runde



In der Politik-Runde forderte FDP-Europaabgeordneter Jan-Christoph Oetjen: „Wir brauchen nicht noch eine zusätzliche Vorschrift, sondern wir brauchen weniger Regeln.“
CDU-Agrarsprecher Dr. Marco Mohrmann erinnerte an die Ursprünge der Messe: „Wir haben gehört, was vor fünfundsiebzig Jahren die Themen waren: Wirtschaftskraft hier vor Ort erzeugen, aber eben auch die Ernährungssicherung, Und das ist nach wie vor ein sehr, sehr wichtiges Thema und das Bekenntnis dazu, dass es eben nicht egal ist, dass sich ein Industrieland wie Deutschland selbst ernähren kann.“
SPD-Abgeordnete Karin Logemann betonte: „Wir müssen Energiesicherheit immer gemeinsam denken mit Ernährungssicherheit. Dabei spielt sicherlich Ökologie eine Rolle, aber es spielt auch eine große Rolle, dass unsere Betriebe gut wirtschaften können.“
Verbands-Runde



In der Verbands-Runde hob Elisabeth Brunkhorst vom Landfrauenverband hervor: „Es reicht nicht nur ein Arbeitsplatz für Frauen auf dem Land. Wir brauchen auch Perspektiven, wir müssen uns entwickeln können. Wir brauchen Mobilität, Digitalisierung. Und wir müssen ganz dringend etwas an der Carearbeit machen.“
Der Vorsitzende der Deutschen Landjugend (BDL), Lars Ruschmeyer, forderte, junge Menschen stärker in politische Prozesse einzubinden: „Wir müssen als Ehrenamt, als Verbände gehört werden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir in politische Entscheidungen einbezogen werden.“
Alexander von Hammerstein vom Landvolk Bremervörde-Zeven stellte die Wichtigkeit der Nachwuchsgewinnung für die Landwirtschaft heraus. Dabei erkannte er einen deutlich positiven Trend. „Die Zahl der Ausbildungsverträge wächst. Was sehr erfreulich ist, dass deutschlandweit 25 % der landwirtschaftlichen Auszubildenden Frauen sind. Und, dass 40 % der Auszubildenden ohne landwirtschaftlichen Hintergrund sind, die keinen Betrieb zu Hause haben, die also als Quereinsteiger reinkommen.“
Wirtschafts-Runde



In der Wirtschafts-Runde sprach Unternehmerin Birgit Hahn, Inhaberin eines Stalltechnik-Unternehmens und langjährige Ausstellerin, Klartext: „Die jungen Landwirtinnen und Landwirte sind hochmotiviert und bereit zu investieren – die Investitionsbereitschaft ist da. Aber sie brauchen klare und verlässliche Rahmenbedingungen. Genau hier ist die Politik gefordert: Sie muss die richtigen Voraussetzungen schaffen und dabei Verlässlichkeit und Planungssicherheit bieten.“ Ihr klarer Appell an die Politik und die Gesellschaft: „Wenn wir ihnen den Weg durch unnötige Hürden versperren, verlieren am Ende alle. Das muss uns allen bewusst sein.“
Heinz Korte, Aufsichtsratsvorsitzender des Molkereiunternehmens DMK Group, sagte: „Wichtig ist für uns, dass unsere Landwirte sagen, wir wollen wieder investieren in die Zukunft. Wir wollen neue Ställe bauen. Auch dafür braucht man die Ausstellung.“
Pferdezüchter Stefan Blanken verwies trotz rückläufiger Zahlen auf die internationale Vernetzung der Branche: „Wir haben ein starkes Netzwerk – Pferde werden weltweit gesucht. Und die Tarmstedter Ausstellung ist eine sehr wichtige Bühne für uns.“
Offiziell eröffnet wurde die Jubiläumsausstellung durch Landrat Marco Prietz, zugleich Präsident des Niedersächsischen Landkreistages. Er gab den Anwesenden folgenden Impuls, sich nicht nur auf die negativen Seiten zu besinnen: „Kollektive Depression kann nicht die Voraussetzung sein, wie wir gemeinsam in die Zukunft gehen, in unserem Land und hier in unserer schönen Region.“ Er betonte die Fortschritte der Region, wie z.B. Digitalisierung: „Künstliche Intelligenz bietet der Wirtschaft so viel Potenzial, Dinge besser, schneller, effektiver zu machen, auch teilweise mit dem Fachkräftemangel umzugehen.“ Mit drei E’s schloss er seine Rede. „Die Erlösung ist da, die Erbsensuppe wartet. Die fünfundsiebzigste Tarmstedter Ausstellung ist eröffnet.“



Besondere Tradition: Ehrung mit dem „ersten Teller Erbsensuppe“
Mit dem ersten Teller Erbsensuppe ehrt die Ausstellungsleitung traditionell langjährig verdiente Aussteller und Förderer der Ausstellung. In diesem Jahr konnten die Ausstellungsgeschäftsführer Hermann Cordes und Oliver Moje gleich zwei Aussteller ehren: Der „zwei ersten“ Teller gingen in diesem Jahr an Heinrich Grabau, einem Landmaschinenhändler aus Tarmstedt und gleichzeitig seit sechs Jahrzehnten als Aussteller beziehungsweise als Firmenmitarbeiter auf der Ausstellung aktiv, sowie an Martin Seidel vom Rinderzuchtverband Oberpfalz w.V., der seit 1998 nicht nur als Mitarbeiter verschiedener Rinderzuchtverbände in Tarmstedt präsent ist, sondern auch auf dem Tierschaugelände die Rinderschauen durch besondere Präsentationen zu einem Highlight im Programm gemacht hat.



Mit einem traditionellen Rundgang durch das Ausstellungsgelände endete die Eröffnung offiziell. Schon jetzt zeichnet sich ab: Die 75. Tarmstedter Ausstellung wird nicht nur Rückblick, sondern vor allem Ausblick – auf die Zukunft von Landwirtschaft, ländlichem Raum und gesellschaftlichem Miteinander.